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Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 19.01.2009
Aktenzeichen: 1 AR 1442/08 - 3 Ws 474/08 BSch
Rechtsgebiete: StPO
Vorschriften:
StPO § 302 Abs. 2 | |
StPO § 467 Abs. 1 |
KAMMERGERICHT Beschluss
Geschäftsnummer: 1 AR 1442/08 - 3 Ws 474/08 BSch
In der Strafsache gegen
wegen Trunkenheit im Verkehr
hat der 3. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin - Schifffahrtsobergericht - am 19. Januar 2009
beschlossen:
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten wird der Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin - Schifffahrtsgericht - vom 29. Juli 2008 aufgehoben.
Die Landeskasse Berlin trägt die Kosten des Rechtsmittels.
Gründe:
Die Amtsanwaltschaft Berlin legt dem Angeklagten mit der am 4. März 2008 eingegangenen Anklageschrift vom 10. Januar 2008 zur Last, sich wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr strafbar gemacht zu haben. Im Zustand alkoholbedingter Fahruntauglichkeit soll er am 17. August 2007 gegen 15.29 Uhr mit dem Motorboot B-BW 406 öffentliche Wasserstraßen in Berlin-Oberschöneweide befahren haben. Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin hat die Anklage durch Beschluss vom 26. März 2008 zugelassen und Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 27. Mai 2008 festgesetzt. Da der Angeklagte nicht erschien, ist es auf Antrag der Amtsanwaltschaft in das Strafbefehlsverfahren übergegangen, hat einen dem Anklagevorwurf entsprechenden Strafbefehl erlassen und eine Geldstrafe von vierzig Tagessätzen zu je fünfzehn Euro festgesetzt. Diesen verkündete es im Termin in Anwesenheit der Verteidigerin des Angeklagten, die im Anschluss daran im Namen des Angeklagten auf Rechtsmittel verzichtete. Mit Schreiben vom 10. Juni 2008 hat der Angeklagte Einspruch eingelegt. Ihn hat das Amtsgericht im Hinblick auf den erklärten Rechtsmittelverzicht durch Beschluss vom 29. Juli 2008 als unzulässig verworfen. Die gegen diesen Beschluss gerichtete, fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Angeklagten hat Erfolg.
Das Amtsgericht hat den Einspruch des Angeklagten gegen den Strafbefehl zu Unrecht als unzulässig verworfen. Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts steht ihm der von der Verteidigerin des Angeklagten erklärte Rechtsmittelverzicht nicht entgegen. Denn die Verzichtserklärung ist unwirksam.
Grundsätzlich gilt, dass der Verteidiger einer ausdrücklichen Bevollmächtigung zur Rücknahme eines Rechtsmittels bedarf (§ 302 Abs. 2 StPO). Für den Verzicht auf ein solches gilt nichts anderes [vgl. Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl., § 302 Rdn. 30]. Hierbei ist umstritten, ob es genügt, dass ihm im Rahmen seiner Bestellung "ausdrücklich" eine allgemeine Ermächtigung zur Rücknahme oder zum Verzicht auf Rechtmittel erteilt worden ist [vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 17. Mai 2005 - 1 Ss 62/05 -], oder ob es einer genauen Bezeichnung des Rechtsmittels bedarf, die lediglich dann entbehrlich ist, wenn sich eine Konkretisierung ohne weiteres aus den näheren Umständen ergibt [vgl. BGH NStZ 2000, 665; NStZ-RR 2006, 147]. Wegen der besonderen Tragweite, die eine Rücknahme oder ein Rechtsmittelverzicht in aller Regel haben, der grundsätzlichen Unwiderruflichkeit der abgegebenen Erklärung und des regelmäßigen Ausschlusses einer Anfechtungsmöglichkeit wegen Irrtums schließt sich der Senat der letztgenannten Ansicht an. "Ausdrücklich" im Sinne des § 302 Abs. 2 StPO erfordert daher entweder die genaue Bestimmung des Rechtsmittels in der Vollmachtsurkunde oder, sofern die Ermächtigung zur Rücknahme allgemein erteilt worden ist, das Vorliegen konkreter Umstände, nach denen sich die Ermächtigung nur auf ein bestimmtes Rechtsmittel beziehen kann.
Vorliegend enthält die der Verteidigerin nach Anklageerhebung erteilte Vollmacht zwar die Ermächtigung "Rechtsmittel einzulegen, sie zurückzunehmen oder auf sie zu verzichten", die näheren Umstände lassen jedoch keine eindeutige Bestimmung zu, auf welches Rechtsmittel sich die Ermächtigung beziehen soll. Von dem Erlass des Strafbefehls, an dessen Verkündung sich der Rechtsmittelverzicht unmittelbar anschloss, hatte der Angeklagte keinerlei Kenntnis, weil er an der Hauptverhandlung nicht teilgenommen hat. Dass er vor dem Hauptverhandlungstermin die Möglichkeit des Übergangs in das Strafbefehlsverfahren und die Bedingungen für einen Rechtsmittelverzicht mit seiner Verteidigerin erörtert oder ihn diese nach Verkündung des Strafbefehls und vor Abgabe der Verzichtserklärung kontaktiert hat, ist nicht ersichtlich. Es fehlt daher an der zur Abgabe der Verzichtserklärung wirksamen Bevollmächtigung.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO.
Ende der Entscheidung
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